Kathrin im Interview

Über meine Arbeit mit dem Thema Weiblichkeit

 

Laurens Dillmann: Wie würdest du deine Arbeit mit dem Thema Weiblichkeit beschreiben?
 

Kathrin Joos: Kern ist, dass ich nun schon seit über drei Jahr regelmäßig Frauenkreise leite. Eine Gruppe von Frauen, die sich alle zwei Wochen trifft. Dazu gibt es Workshop-Angebote, in denen auch nur Frauen zusammenkommen. Eines meiner Workshop Angebote ist ans Business angelehnt, aber auch da geht es darum, wie man weibliche Qualitäten im Beruf nutzen kann. Dann gibt es noch eine Jahresgruppe, den Enfaltungskreis, der sich dieses Jahr in sieben Terminen um das Thema Polarität, die Begegnung von Mann und Frau, dreht. Ein Stück weit ist das aus den Frauengruppen entstanden, die das, was wir miteinander erarbeitet haben, auch im Kontakt mit dem männlichen Gegenpol üben möchte. 

In den Einzelterminen kommen überwiegend Frauen zu mir. Ich arbeite immer auch mit Männern, die herzlich willkommen sind, aber Frauen trauen sich früher an diese Themen, ist mein Eindruck. Im Einzelsetting lässt sich natürlich auch intensiver, persönlicher und individueller an Themen arbeiten als Ergänzung und Vertiefung zu meinen Gruppen. Somit ist das Thema Weiblichkeit und all das, was es damit auf sich hat, eigentlich immer Teil meiner Arbeit.

 

Was passiert in diesen Gruppen?


Das hängt immer davon ab, welche Fragen meine Teilnehmerinnen mitbringen, wo sie gerade stehen und wieviel Vorerfahrung sie mitbringen. Am Anfang geht es meistens darum, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen, was weibliche Qualitäten sind. Die meisten Frauen haben kaum eine Idee davon. Es gibt vielleicht ein paar verschwommene Begriffe, aber was in der Essenz weibliche und männliche Qualitäten gibt (die ich beide in mir habe), da herrschen oft Ratlosigkeit und fehlende innere Ordnung. Diese verschiedenen Qualitäten und Begriffe, die da auftauchen, wirklich zu verstehen, zu ordnen und sie auch immer mehr verkörpern zu lernen, ist für meine Arbeit sehr wichtig. 

 

Worum geht es in deiner Arbeit?


In meiner Arbeit geht es immer darum Körper und Psyche zu verbinden. Also geht es immer auch um den eigenen Körper. Wir nehmen uns dann zum Beispiel eine dieser Qualitäten und verkörpern sie. Zum Beispiel die Qualität von Genuss. Diesen abstrakten Begriff will ich ja nicht nur auflisten. Die tiefe Sehnsucht vieler Frauen ist, weibliche Qualitäten wie z.B. Genuss wirklich zu spüren und mehr zu verkörpern, sprich sich selbst genussvoll zu erleben. Im Zentrum stehen auch immer das Üben und Verfeinern unserer Wahrnehmung. 

Du kannst zum Beispiel einfach so mit Deiner Hand über den Teppich hier in meinem Raum oder irgendeinen Gegenstand streichen. Oder du streichst darüber, mit dem Fokus, dich selbst dabei wirklich zu genießen. Das hört sich vielleicht im ersten Moment komisch an, doch wenn Du es ausprobierst verändert sich Deine Wahrnehmung von Dir selbst und dem Teppich direkt. Oder wie würdest du durch einen Raum laufen, wenn du dich selbst dabei maximal genießt? Das ändert alles. Die meisten laufen dann z.B. viel langsamer, raus aus dem Takt des Alltags.

An diesem kleinen Beispiel wird die Art meiner Arbeit deutlicher. Es geht immer darum, sich im eigenen Körper zu spüren und anschließend zu mentalisieren, also zu verstehen, worum es im Kern bei dieser Erfahrung geht. Dazu gehört auch, Sehnsüchte und Nöte einzubringen. Zu mir kommen Frauen von jung bis alt. Beim Thema Genuss ist das Thema der eigene Körper ja auch nicht weit. Eine meiner Klientinnen, eine über 70-Jährige Frau, die unter Tränen sagte, dass sie beim Eincremen ihren Bauch ausspart, weil sie ihn mit über 70 immer noch nicht mag. Den jüngeren Frauen hat der Atem gestockt, zu erkennen, wie lange solche Zustände von Selbstablehnung anhalten können. Aber das darüber offene Sprechen ist sehr heilsam. Und so arbeite ich immer auch mit den Themen, die die Frauen mitbringen.

 

Also es geht nicht darum, neue Qualitäten zu lernen, sondern die wiederzuentdecken, die bereits da sind?
 

Richtig. Doch manche sind verschüttet.

 

Warum ist dieser Zugang verloren gegangen?
 

Zuerst die eigenen persönlichen Erfahrungen. In der Catlike-Methode spielt neben der Prozessarbeit die Bodynamic, also die Entwicklungspsychologie, eine große Rolle. Jeder Mensch hat mehr oder weniger Erlebnisse, in denen er Fähigkeiten nicht gelernt oder blockiert hat, oder sie im Kontakt mit anderen nicht zeigen kann. Das hat viel mit der eigenen Biografie zu tun. Diese blockierten oder verschütteten Ressourcen wieder zu entdecken und zu lösen darum geht es.

Und andererseits hat es auch damit zu tun, wo wir gerade gesellschaftlich stehen. Sich mit der Essenz von Weiblichkeit und Männlichkeit auseinanderzusetzen, ist ziemlich verloren gegangen. “Da draußen” gibt es momentan eher eine Gegenrichtung: Alles ist gleich, alles vermischt sich und wir werden immer verwirrter, wer wir eigentlich im Kern sind.

Z.B. arbeite ich auch immer wieder mit dem Thema Kleidung. Da geht es um die Frage, wie ich mich nach außen zeige und was eigentlich zu mir passt. Und da kommt immer wieder die Frage auf: Was denken dann die anderen? Das ist ein großer Grund: Eine hohe, fast maximale Orientierung am Äußeren. Was denken, finden, reden die anderen über mich? Diese Orientierung an äußeren Autoritäten, die dich begrenzen.

Teil meiner Arbeit ist also auch die Rückkehr zu einem inneren Referenzpunkt, aus dem wir heraus ganz anders handeln. Den nenne ich Wesenskern. Wie bin ich in der Welt, wenn ich den Referenzpunkt in mir habe und von dort anfange, nach außen zu gehen? Das ist eine innere Aus- und Aufrichtung, im Zuge derer sich mein Erleben der Welt völlig neu sortiert. Dieser Prozess ist beileibe nicht immer einfach und braucht Unterstützung.

 

Was inspiriert dich?


Über viele Jahre hinweg meine eigene Arbeit an mir selbst und in der Ausbildung der Catlike-Methode. Ähnlich wie die Frauen, die mit mir arbeiten, bin ich auf dem Weg zu immer mehr authentischem „Ich Selbst“. Vielleicht ein paar Schritte voran, aber auch diese erarbeite ich mir unter anderem gemeinsam mit Frauen aus meiner Ausbildungsgruppe. 

Gleichzeitig sind auch die Frauen, mit denen ich arbeite, eine große Inspiration. Da gibt es so besondere und heilige Momente, wenn wir zusammenkommen. Diese Art “höherer Raum”, der dann entsteht, ist schon eine große Inspirationsquelle an sich. Meine Teilnehmerinnen und Klientinnen zu sehen und zu erleben, was entsteht, wenn wir uns in diesen heiligen inneren Räumen bewegen.

Als Buch kann ich “Sacred Woman” von Heide-Marie Heimhard und „Weiblichkeit leben“ von Leila Bust empfehlen. Beides Grundlagenwerke, die ein großes Spektrum von Weiblichkeit beleuchtet, Zyklusbewusstsein und einen möglichen spirituellen Weg von Frauen. Dazu kommen Bücher wie “Die Seele des Weibes”, oder “Roter Mond”, die ich hin und wieder in meine Arbeit einfließen lasse. Filme wie “Ocean's 8” oder, jüngst erst erschienen, “Wunderschön”, wo es um das Thema Frauenkörper oder spannende Frauenfiguren geht.

 

Wie schärfe ich meinen Blick für die weiblichen Qualitäten, von denen du sprichst?
 

Ein Thema in meinen Gruppen ist immer wieder Verführung. Ich kann nur verführen, wenn ich mich auch verführen lasse. Das geht nur, wenn ich neugierig und fasziniert von etwas bin. Viele Frauen erzählen mir: Auf dem Weg zur Arbeit habe ich diese oder jene Frau im Zug gesehen – die gefiel mir, die fand ich toll, die hatte eine ganz besondere Ausstrahlung! Wenn wir unsere Wahrnehmungsfähigkeiten erhöhen, fällt unser Blick wieder ganz automatisch auf diese natürlichen Schönheiten, die uns umgeben. Es geht immer um mehr Wahrnehmung und mehr Präsenz. 

Wenn ich mehr wahrnehme und mehr in meinem Körper verankert bin, kann ich mich auch mehr faszinieren lassen. Wenn in dir gerade Selbstsabotage-Kopfkino abgeht, bist du dazu wenig in der Lage. Dann kannst du vielleicht noch mechanisch funktionieren, aber auch das große Feld der Erotik verschließt sich dann für dich.

 

Was kann nur in einer Gruppe von Frauen geschehen? 
Was verändert sich, wenn ein Mann dazu kommt?
 

Wir werden sinnlicher, tanken untereinander auf und nähren uns durch körperliche Berührungen. Dieser Seinszustand hat wie das Element Wasser etwas Sinnliches und ist in sich vollständig. Ich muss diese Art von Nahrung nicht beim Mann holen. Die Frage, was dann noch dazu kommt, stellt sich ja auch in der Partnerschaft. Hinzu kommt die Polarität, die eine ganz andere Spannung im Raum erzeugt.

 

Wie siehst du die Zukunft aus weiblicher Perspektive?


Ich kann das nur aus meinem kleinen Mikrokosmos und meinem Wirkradius von vielleicht 50 Kilometern beantworten.

Ich kenne ja viele der Frauen auch persönlich, mit denen ich arbeite und die meisten sich auch untereinander. Wenn wir uns dann in der Schule beim Kinderabholen oder auf einem Fest begegnen, begegnen wir uns anders als gewohnt. Wir umarmen uns länger, nicht nur oberflächlich. Die Frauen beginnen auch, sich anders zu kleiden. Sie blühen und leuchten mehr und wecken damit wiederum das Interesse anderer Frauen und natürlich auch das der Männer. Aus unserer Frauengruppe ist z.B. auch eine Männergruppe entstanden, weil sie sagen: Wir wollen auch unseren eigenen Raum haben! 

Diese sich vervielfältigende Leuchtkraft entspricht auch der Vision meiner Arbeit. Ich wünsche mir, dass Frauen und Männer wieder eigene Räume kreieren, in denen sie für sich sind, um dann erfrischt und aufgetankt in die Begegnung gehen zu können. Das macht auch einen großen Unterschied für die Kinder und die Familien und führt vielleicht eines Tages zu völlig neuen Arten des Wohnens und Zusammenlebens.

 

Vielen Dank für das bereichernde Interwiew.
 

Lieben Dank für deine Zeit und den schönen Austausch.
 

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WESENSKERN, die Praxis 
für körperpsychologische Prozessbegleitung, 
Weiblichkeit und 
Organisationsentwicklung 
im Raum Freiburg/Emmendingen/Elztal


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